Jubiläum der anderen Art: 40 Jahre Spam-Mails
Na, auch schon mal einer dieser blauen Pillen angeboten bekommen, die die männliche Potenz steigern sollen? Oder vielleicht Informationen zu einer Aktie, von der keiner weiß, die aber in den nächsten Tagen aus irgendwelchen Gründen um hunderte Prozent steigen wird? Selbst wenn man eine dieser Fragen in der heutigen Zeit mit “Ja” beantwortet, weiß man doch, um was es sich handelt: um Spam-Mails. Zwar fallen immer noch Internetnutzer auf diese Art betrügerische E-Mails herein, aber der Prozentsatz ist immens niedrig. Das haben auch die Betrüger erkannt und setzen eher auf Phishing und/oder Malware.
Vor 40 Jahren war das noch ganz anders. Als im Mai 1978 die erste Werbemail verschickt wurde (die Bezeichnung Spam kam erst in den 90ern auf), erreichte sie 320 Empfänger im Arpanet, der Grundform des heutigen Internets. Und sie war erfolgreich: der Versender verdiente etwa 12 Millionen US-Dollar mit seinen Werbemails. Zwar mögen 320 erfolgreiche E-Mails nicht besonders beeindruckend klingen, aber man muss sich kurz ins Gedächtnis rufen, dass die technischen Voraussetzungen zu dem Zeitpunkt ganz anders waren. Der Aussand an 600 E-Mail-Konten entsprach einem Viertel aller E-Mail-Adressen. Nur 320 E-Mails konnten vom E-Mail-Programm technisch überhaupt verarbeitet werden. Das ergibt ein Traumergebnis, wenn man es mit der heutigen Zeit vergleicht.
Die erste Spam-Mail war dabei nicht betrügerisch, wollte kein Geld von ahnungslosen Menschen ergaunern, indem man ein Vermögen vorspiegelte: Es handelte sich wirklich um eine Werbemail. Gary Thuerk wollte Computer verkaufen, DEC-Computer, die er eigentlich auf zu der Zeit üblichen Verkaufsveranstaltungen vorstellen wollte. Er machte so ungefähr alle Fehler, die in der heutigen Zeit für ein sofortiges Löschen sorgen würden bzw. dafür sorgen würden, dass die E-Mail nicht an Spam-Filtern vorbeikommen würde. Die gesamte E-Mail war in Großbuchstaben geschrieben, entsprach also nach der Netiquette einem Text, der geschrien wird. Ein absolutes No-Go, aber die Zeiten waren ganz anders. Praktisch niemand hatte eine private E-Mail-Adresse. Alle der zu dem Zeitpunkt etwa 2.600 E-Mail-Konten im Arpanet waren beruflich genutzt, das Interesse an neuer Technologie war dementsprechend gegeben.
Außerdem versandte Thuerk seine Werbemails ganz offiziell vom Server seiner Firma DEC aus und nicht, wie heute üblich, über gehackte Server. Obwohl Spam-Mails heutzutage nur sehr selten erfolgreich sind und andere Technologien zum Betrug besser funktionieren, werden auch heute noch etwa 100 Milliarden Spam-Mails täglich(!) verschickt. Was aber die erste Spam-Mail von heutigen Vertretern unterscheidet, ist dass es das Produkt von Thuerk wirklich gab. In einem Interview erzählte der Verkäufer, der inzwischen bei HP im Verkauf arbeitet, dass zu den angepriesenen Verkaufsveranstaltungen 40 Interessenten durch seine E-Mail kamen. Am Ende verkaufte Gary Thuerk DEC-Computer im Wert von 12 Millionen Dollar.
Dieses Jubiläum der ganz anderen Art zeigt, dass neue Technologien immer Glücksritter anziehen, die damit erfolgreich sind. Danach hängen sich die Betrüger an den Prozess. Heutzutage liest sicherlich kaum jemand Spam-Mails, die Menge dieser Botschaften ist immens. Aber in einer Zeit, in der nur wenige E-Mails verschickt wurden, fiel die erste Werbemail noch auf und brachte das Ergebnis, das sich der Verkäufer Thuerk ausgerechnet hatte.
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